Der Herzerl Luftballon

 „Bist Du heute wieder mit Deinen aufgeblasenen Typen unterwegs?“ Diese nervige Frage stellt der Sepp seiner Freundin Kathi. „Das sind meine besten Freunde“, sagt die Kathi trotzig. „Die nächsten zwei Wochen werde ich jeden Tag mit ihnen rumziehn“. „Pass ja gut auf Dich auf“, meint der Sepp. „Keine Angst, ich hab diese aufgeblasenen Typen fest in der Hand. Von denen kann mir keiner entwischen.“ „Und wenn doch?“, fragt der Sepp. „Dann bekomm ich dafür Lösegeld“, lacht die Kathi. „Wenn die Leute einen Ballon kaufen, löse ich einen Luftballon aus dem Knäuel, der bringt mir dann gutes Wiesngeld."

 „Die reinste Sklaverei ist das“, schimpft der Ballondrache Tabaluga. „Ich fühle mich verraten und verkauft und tausendmal belogen. Erst wird uns versprochen, dass wir auf der Wiesn das Herbstfest feiern, ich träumte davon, am weißblauen Himmel umherzufliegen“. „Unter dem Sternenzelt wollte ich die Freiheit genießen, jetzt sind wir im Bierzelt gefangen“, wettert das Wiesnhendl. „Als Ballon hast Du es besser als Deine Kollegen am Spiess,“ meint Balu, der Bär, und der rosarote Panther stimmt ihm zu. 

Das Streitgespräch der Luftballons wird lauter und lauter. In all dem Trubel hat die langhalsige Giraffe noch den besten Überblick. „Was siehst Du denn von da oben?“, fragt der blaue Delphin. „Ich sehe Gier-affen in Lederhose und Dirndlgwand“. „Die schauen auf kleine bunte Smarties, besser bekannt als Smartphons“. Tränen der Verzweiflung rinnen über die Wangen des Delphins. „Hier werde ich wohl niemals meinen Weg in die blaue Lagune finden“. Der aufgeblasene Wiesnbulle sagt ihm deutlich seine Meinung: „Du bist hier nicht im Ozean Deiner Träume, eher schon in einem Biersee“. „Und sei froh, dass Du kein Steckerlfisch bist. Du würdest diesen Tag nicht mehr erleben.“

Aus den ständigen Reibereien werden jetzt für Luftballons lebensbedrohende Sticheleien. Das Stachelschwein kämpft um mehr Platz in dem Knäuel. Plötzlich ist ein lauter Knall zu hören. Dem Elefant Jumbo ist nicht nur der Kragen geplatzt, die vielen kleinen Nadelstiche haben ihn zerrissen. „So viel Dramaturgie an einem einzigen Wiesntag“, denkt sich der kleine verlorene und eingeengte Herzerlballon. Die Gefühle fahren Achterbahn, es geht rauf und runter. 

Im Tal der Tränen schauen zwei weinende Kinderaugen sehnsüchtig in das freundliche Gesicht des Herzerlballons. Die kleine Ashra aus Syrien sucht ihre Eltern, kann sie nicht finden. Gerne würden sie mit dem Luftballon davonfliegen, in ein neues Zuhause. Doch als Flüchtlingskind hat sie es schwer, hier bei uns eine Heimat zu finden. Blitzartig wird das auch der Kathi bewusst. Und so beschließt sie nicht nur, den Herzerlballon lösegeldfrei ziehen zu lassen. Sie will der kleinen Ashra ein neues Lebensgefühl geben. Ein bayrisches „Dahoam is dahoam“ Lebensgefühl. Jetzt ist auch der Sepp überzeugt und beeindruckt davon, was so ein kleiner Herzerlballon alles bewirken kann.

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