Kurzgeschichte über das Huhn Elsa
Undurchdringlich schiebt sich die weiße Nebelwand über die Wiesen und Felder im Rosenheimer Land. Nur das Röhren der Hirsche verrät die unmittelbare Nähe zum angrenzenden Keferwald. Auf dem abgeernteten Rübenacker vom Lechnerbauern springen zwei Kaninchen etwas irritiert und verängstigt hin und her. Irgendwas beunruhigt sie. Aus dem Dickicht sind verdächtige Geräusche zu hören. Ein junger Fuchs ist zu sehen. Aber er beachtet die beiden Kaninchen gar nicht. Sein Weg führt ihn geradezu direkt zum Lechnerbauernhof. Er will unbedingt, schnellstmöglich und schnurstracks zum Hühnerstall.
Aber er hat nicht bedacht, wie verrückt das Huhn Elsa sein kann. Elsa gackert spontan die ganze bäuerliche Kompanie zusammen, da geht tierisch was ab. Dem stolzen Hahn Elvis schwillt gleich der Kamm, er streicht sich wild durch sein Gefieder. Hund Falco inszeniert zusammen mit dem gestiefelten Kater Amadeus ein bayrisches Rockmärchen. Kätzchen Helene trällert atemlos durch die Nacht. Da wird sogar Miss Piggy, das Hausschwein geweckt. Jetzt spielen sie alle zusammen im Panikorchester. Besser und lauter als Udo Lindenberg. Frosch Körmed und Freunde quacken als Backroundsänger frischfroschfröhlich dazu.
Meister Reinecke ist genervt. Heute ist wohl nicht sein Tag. Sein erstes Hühnerstallfestival hat er sich ganz anders vorgestellt. Ein schlauer Fuchs kann aber aus jeder Situation das beste machen. Und so spielt er einfach mit, in diesem bunt zusammengewürfelten Panikorchester. Bei dieser Musik, bei diesem Rhythmus, bei dem man einfach mit muß, vergißt er schnell seinen Hunger. Meister Reinecke fühlt sich mittlerweile richtig wohl in dieser Faschingsgesellschaft. Bald schon ist Rosenmontag. Da hat er eine grandiose Idee.
Er schlüpft in das Kostüm des Rosenkavaliers, um nicht gleich von allen erkannt zu werden. Ein verstohlener Blick zu Elsa gibt ihm Recht. Sein charmantes Augenzwinkern, seine einschmeichelnde Art kommt gut bei Elsa an. Das frisch verliebte Huhn blinzelt keck zurück. Der schlaue Fuchs fühlt sich jetzt wie Casanova, und er bittet sogleich um den nächsten Tanz. Elsa lässt sich nicht zweimal bitten, die schönste Nacht in ihrem Leben sollte niemals enden. Das Erwachen kommt am nächsten Morgen. Im Hühnerstall ist nichts mehr, wie es mal war. Ziemlich verkatert suchen die übrig gebliebenen Faschingsgäste nach dem verrückten Huhn. Aber Elsa bleibt verschwunden. Am Aschermittwoch ist eben alles vorbei.
© Georg Berghammer