Süsse Träume am Zuckerhut

Der Sepp ist weit weit weg, mit seinen Gedanken. An der Copacapana beim Karneval in Rio. Heiße Sambarythmen, feurige Tänzerinnen rauben ihm die Sinne. Er denkt nicht mehr an Leni. Sie hat ihn verlassen. Zu schön um wahr zu sein, sind die süssen Träume am Zuckerhut. Musik erfüllt den Raum.

Trommler ziehen durch die Straßen. Der Karneval in Rio ist das Fenster zur Welt - denkt sich der Sepp. Er öffnet das Fenster - und reibt sich verwundert die Augen. Irgendwie ist alles anders an diesem Morgen. Es ist nicht der brasilianische Karnevalszug, der hier jede kleine Gasse mit purem Leben erfüllt. Es sind bayrische Trachtler,die ihren Festumzug feiern. Kein südamerikanischer Gaucho mit Sombrero ist zu sehen. Haferlschuhe,Wadlstrümpfe und Lodenhüte mit Gamsbart prägen das ländlich idyllische Ortsbild. Urplötzlich wird dem Sepp klar,wo er zu Hause ist. Nicht bei Carmen. Die Schöne aus Rio lebt nur in seinen Träumen. Jetzt überkommt ihn die Sehnsucht. Nach Leni. Wo mag sie wohl sein? Auf der Kräuterwiese,wo einst ihre Landliebe begann? Der Sepp erinnert sich,wie sie dort als Kinder „Fang den Hut“ spielen. Im Hut sind tausend Nettigkeiten,die sie sich gegenseitig zuwerfen. Federleicht weht der Wind die Komplimente zu ihren Herzen. Sie verlieben sich Hals über Kopf,sind unzertrennlich. Mit der Zeit wird der Hut schwerer und schwerer.

Die Strapazen des Lebens werden gewichtiger. Der Sepp merkt das hauptsächlich am Bauchumfang. „Du bist ein schwerfälliger Dackel“, sagt die Leni. Im Hut sind jetzt keine federleichten Komplimente. Kleine Streitigkeiten werden zu bleischweren Vorwürfen. So muß das wohl auch in der vergangenenen Nacht gewesen sein. Die Scherben der Blumenvase bringen den Sepp zum nachdenken. Gestern noch pflückte er Schlüsselblumen auf der Kräuterwiese. Sie sollten der Schlüssel zum Glück sein,besser als jedes Kräuterrezept.

 Viele Erinnerungen kommen jetzt beim Sepp hoch. Auf dem Dorfplatz sieht er die Leni. Ein fesches Dirndl ist sie.In ihrer schönsten Sonntagstracht. Sie wirft wieder den Hut mit den tausend Nettigkeiten. Direkt in die fangbereiten Pratzn vom Toni. Dieser Alpencasanova wirbt wie ein stolzer Auerhahn um die Leni. Jetzt reißt beim Sepp die berühmte Hutschnur. Wutentbrannt rennt er zum Toni,packt ihn am Kragen, so dass ihm der Trachenhut samt Gamsbart vor die Füsse fällt. Wie ein wildgewordener Stier trampelt der Sepp auf dem Hut vom Toni rum. Die Leni erkennt ihren Sepp nicht wieder. „Hättest Du nur mal bei mir so viel Temperament entwickelt.“ „Ein flotter Windhund ist mir lieber als ein schwerfälliger Dackel.“ Diese tierische Bemerkung bringt das Fass zum überlaufen. Beim Dorfwirt gibt`s zwar kein Freibier. Doch mit einem süffigen Märzenbier lässt sich jeder Frust gut runterspülen. Die Erinnerung an die letzte Nacht wird beim Sepp wieder wach. Nach zwei, drei oder mehreren Maßen begegnet dem Sepp im Rausch der Gefühle die feurige Carmen aus Rio.

Doch mit seinem Brummschädel hat er sogar im Traum Verständigungsschwierigkeiten.Er kann ja gar kein brasilianisch. Wie nur sagt man in Rio:“Pfiaddi Carmen“ Sepp hofft inständig,daß zumindest die Leni sein bayrisch versteht. Zaghaft nimmt er nochmal seinen verstaubten Hut in die Hand. Wird das Lenerl seine Gefühle erwidern? Stimmt die Windrichtung? Hat er noch eine Chance gegen seinen Rivalen,den Toni? Der Sepp macht einen letzten Versuch. Er wirft den Hut in den Ring. Es ist wie damals auf der Kräuterwiese.Zielgenau schickt er seine aufgefrischten Liebesgrüße.Der Sepp zeigt sich heute kämpferisch. Von einem schwerfälligen Dackel ist nichts zu sehen. Die Leni ist beeindruckt.Die ungebändigte Kraft vom Sepp imponiert ihr mächtig.Seine Nettigkeiten treffen mitten ins Herz. Toni,der Alpencasanova merkt,daß er dieses Hütchenspiel verloren hat. Beleidigt zieht er von dannen. Der Sepp ruft ihm nach: „Vom Dorfwirt bis nach Rio ist es nicht weit“ „Grüß mir die Carmen“

© Georg Berghammer

 

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